Wissenschaftlicher Beirat des VDV zum Deutschlandticket

Bahnhof Frankfurt am Main

Der Wissenschaftliche Beirat des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert in einem Positionspapier eine Verstetigung und langfristige Finanzierungszusage durch Bund und Länder beim Deutschlandticket. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit des Angebotsausbaus erläutert. Die Strukturen und Aufgabenverteilungen im ÖPNV-System und nicht zuletzt die Kunden verlangen nach Planungssicherheit.

Im Einzelnen geht das Positionspapier auf folgende Aspekte ein:

Das Ticket ist ein Erfolg. Zum Ende des vergangenen Jahres besaßen bereits 11 Mio. Menschen ein Deutschland-Ticket-Abo. Mit dem damit verbundenen Rabatt, der laut destatis bei allen Kunden mit Monatskarten durchschnittlich etwa 25 Prozent beträgt, konnten auch wieder Fahrgastzuwächse nach der Corona-Pandemie erzielt werden. Ein Anteil von etwa 7 Prozent der Fahrten mit dem Deutschland-Ticket wird dabei weg vom Auto zum öffentlichen Verkehr verlagert. Veränderung braucht jedoch Verlässlichkeit, weswegen eine 10 Jahres-Garantie für das Deutschland-Ticket gefordert wird. Die Finanzierungsbasis darf nicht Steinbruch für eine Haushalts-sicherung und andere Politikprogramme sein. Maßvolle Tariferhöhungen im Rahmen der Kostensteigerungen sind damit nicht ausgeschlossen; der attraktive Preis und die bundesweite Gültigkeit für das Deutschland-Ticket ebenso wie die Verstetigung der Rabatte für Job-Tickets und Semestertickets sollten jedoch festgeschrieben werden.

Die Verstetigung des Deutschland-Tickets verlangt seitens der Aufgabenträger, Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde eine Harmonisierung der zusätzlichen Tarifangebote und des Vertriebs. Die unterschiedlichen lokalen Mitnahmeregelungen, z. B. von weiteren Personen, sollten baldmöglichst in ein bundesweit einheitliches „Deutschland-Ticket plus“ überführt werden. Eine politische Verlässlichkeit des Deutschland-Tickets würde zu weiteren Investitionen in digitale Prozesse ermutigen.

Ein bundesweit gültiges Ticket zeigt aber auch die bestehenden Lücken im ÖPNV-Angebot auf. Der zwischen Bund und Ländern zu vereinbarende Ausbau- und Modernisierungspakt sollte Mindestbedienstandards (Takte, Bedienungszeiten, Reisezeiten) festlegen und umsetzen. Mit dem zügigen Ausbau des Angebotes würde das Deutschland-Ticket auch im ländlichen Raum an zusätzlicher Attraktivität gewinnen und den Umstieg in den ÖPNV voranbringen.

Bund, Länder und Kommunen sowie Verkehrsunternehmen und Fahrgäste sitzen beim Deutschland-Ticket im gleichen Zug. Der aktuelle Beschluss für die Beibehaltung des Preises von 49 Euro in diesem Jahr sichert nicht die dauerhafte Finanzierung des Tickets. Für die weitere Entwicklung muss festgehalten werden, dass keine strukturellen Verschiebungen der Finanzierungslasten auf die Eigentümer der Verkehrsunternehmen und Besteller der Verkehrsleistungen abgewälzt werden dürfen. Darum müssen die Leistungen von Bund und Ländern an die Kostenentwicklungen angepasst werden. Auch die Branche selbst ist gefordert eigene Anstrengungen bei Innovationen und Effizienzgewinnen zu erbringen.

Ein verlässlich gesichertes Deutschland-Ticket, eine durch den Ausbau- und Modernisierungspakt finanzierte Angebotsoffensive und eine integrierte Planung, die den Vorrang auf die umweltfreundlichen Verkehrsmittel legt, wären wichtige Schritte. Aus wissenschaftlicher Sicht ist klar: Anreize (Pull-Maßnahmen) allein reichen nicht aus, lenkende Rahmenbedingungen (Push-Maßnahmen), wie z. B. Straßen-benutzungs- und Parkgebühren, sind ebenfalls dringend notwendig. Nur so kann es schließlich auch gelingen die definierten und gesetzlich verankerten Umwelt- und Klimaziele zu erreichen.

Anmerkung:

Das Deutschlandticket ist auch aus kommunaler Sicht ein Erfolg für den ÖPNV insgesamt und muss beibehalten werden. Es vereinfacht den Zugang, stärkt die Kundenbindung und verbreitet Standards wie bspw. das E-Ticketing. Der Wissenschaftliche Beirat betont jedoch in seiner Positionierung vor allem die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanzierung von Bund und Ländern, die das Deutschlandticket ins Leben gerufen haben. Die aktuelle Finanzierung des Tickets im Jahr 2024 hängt u.a. von der Übertragung bestehender Restmittel des Bundes für das Ticket aus 2023 ab. Die kommunalen Aufgabenträger vertrauen bislang darauf, dass zugesagte Mittel auch zur Verfügung stehen. Bund und Ländern haben zudem mit dem Preis ein zentrales Instrument in der Hand, um die Finanzierungsbedarfe zu steuern. Da der Preis für 2024 nicht angehoben werden soll, müssen auf der anderen Seite nun auch die Voraus-setzungen geschaffen werden, dass die Finanzierung ausreicht. Nicht zuletzt bedarf es eines gesetzlichen Anwendungsbefehls aller Länder im Sinne einer Finanzierungsgarantie. Eine Abwälzung des Risikos fehlender Ausfinanzierung auf die Kommunen ist nicht akzeptabel. Nicht zuletzt weisen die Wissenschaftler auf die Ausbaubedarfe hin, die derzeit vor dem Hintergrund der immer wiederkehrenden Finanzierungsdebatten zwischen Bund und Ländern ins Hintertreffen geraten. Die Marktforschung zum Deutschlandticket zeigt hier klar auf, dass gerade auf dem Land nur wenige Menschen bislang auf das Ticket wechseln. Grund hierfür ist insbesondere ein fehlendes attraktives Angebot von Bussen und Bahnen.

12.04.2024